Rund um Karl Valentin

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Die eigene Kommunikations(un)fähigkeit entlarven

Was passiert, wenn der Meister zwei Tage auf einen Kongress geht, die Gehilfen von Tuten und Blasen keine Ahnung haben, aber trotzdem eine Theatergruppe fotografieren sollen?
Wenn die Loreley sich auf ihrem Felsen die nichtvorhandene Seele aus dem Leib hustet, die Schweizerin nicht mehr Walzer tanzt, der Herr Otto Keilhuber immer noch keine Ohrfeigen bekommen hat und der Firmling das nächste Mal nicht mehr mit zur Firmung kommt?
Ja, dann ist wohl das "Karl Valentin"-Fieber ausgebrochen. Und uns hatte es angesteckt und deshalb präsentierten wir 2005 Tief-, Un- und Hintersinniges - rund um Karl Valentin, eine abwechslungsreiche Mischung vieler bekannter und mancher nicht so bekannter Sketche und Couplets des Münchner Komikers und Altmeister des etwas anderen Humors. Aber wir spielten Valentin nicht nur stumpf nach: Unsere Regisseurin Barbara Hofmann zeigte eindrucksvoll, dass sein Wortwitz auch in der heutigen Zeit ohne weiteres bestehen kann. Schließlich kann man sich nicht nur mit Briefen lang und breit über nichts Sinnvolles unterhalten, das geht mit Handy und SMS genauso gut.



Warum ich Valentin so liebe...

Vielleicht, weil er der bayerischen Seele zutiefst entspricht. Ich bin Bayer und in mir schlägt das Valentin-Herz.Ich glaube, es gibt in Sachen Valentin zwei Möglichkeiten: pro oder kontra. Aber: Wir haben jede Menge Nicht-Bayern im Ensemble, die sich trotzdem mit Valentin angefreundet haben. Und – ehrlich gesagt – die Kontra-Fraktion kann ich nur erstaunt zur Kenntnis nehmen, aber nicht wirklich verstehen. Ich find’s einfach köstlich, wie zum Beispiel ein Polizist, Vertreter der Ordnungsmacht und Autoritätsperson, an den Umständen, nicht zuletzt an einem „saublöden Namen“ eines Radfahrers scheitert und von jedweden Maßnahmen absieht, um bloß nicht das Gesicht zu verlieren. Ideen wie die, ein Paar sich mit Nettigkeiten beschimpfen zu lassen, sind einfach originell und legen den Finger genau auf die Schwächen, die uns bei der eigenen Kommunikations(un)fähigkeit schon lange auffallen, gell? Und die vielen Details und Kleinigkeiten, die netten Defekte, bei denen wir uns ertappt fühlen und deswegen – und das ist ja so heilsam! – endlich mal über uns selbst lachen müssen.
Ich liebe den Karl Valentin, weil nichts Menschliches ihm fremd ist, weil er mit einem Augenzwinkern und Schalk im Nacken Situationen betrachtet, die einen eigentlich zur Verzweiflung treiben könnten. Weil er Teile seiner eigenen Misere – „Magi der is lari nachher wirst kaput“ (der Magen, der ist leer, und nachher gehst kaputt) – hemmungslos einbaut in ein „Chinesisches Couplet“, das an den Dadaismus* heranreicht und alles andere ist als chinesisch. Ich liebe ihn auch, weil er mich schon mein ganzes Leben lang begleitet, wirklich von Kindheit an. Vielleicht ist ja überhaupt alles nur die reine Nostalgie.... oder!?

Barbara Hofmann

*Ab 1916 eine internationale künstlerische Bewegung, die die Weltgeschichte parodierte.