Das Gesicht hinter der Maske

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"Der Lügner" (1750, Original "Il Bugiardo") von Carlo Goldoni ist ein lustig-unterhaltsames Maskenspiel um ein ernst zunehmendes gesellschaftliches Dauerthema. Es geht um Schein und Sein, um Hybris und Eigenvorteil, um Wahrheit und echte Gefühle. Mit Goldoni können wir diese durchaus schwere Kost genießen und leicht verdauen - mit Zutaten der Commedia dell’arte.
Die Commedia dell’ arte bezeichnet ein besonderes Genre des Berufsschauspiels, das sich im 16. Jahrhundert aus Zusammenschlüssen von Jahrmarktkünstlern entwickelte. Ihre Figuren sind standardisiert, sie erscheinen in Masken und bleiben somit maskenhaft – ohne „Eigenleben“. Es war typisch, dass alle „Zanni“, also die Bediensteten, Masken trugen, aber auch zum Teil die „Herren“-Figuren wie Pantalone oder der Dottore. Carlo Goldoni gilt als Reformer dieser italienischen Volkskomödie, denn er befreite die Figuren aus ihrer Typenstarre. Doch mit seiner Erneuerung hin zum Sitten- und Charakterlustspiel handelte er sich vor allem die erbitterte Gegnerschaft mit dem italienischen Dichter Carlo Gozzi („Turandot“) ein, der ihm derart zusetzte, dass Goldoni trotz seines Erfolges Venedig verließ und sich Paris zuwandte. Goldoni war es ein Anliegen, jeder seiner Figuren ihr menschliches Gesicht zu geben. Wenn er sie dennoch maskierte, dann zu bestimmten Anlässen, wenn zum Beispiel in Venedig Karneval oder der erste Tag des Jahrmarktes war.

Wenn wir in unserer Aufführung nun gerade den „Zanni“ ihre Masken wieder aufgesetzt haben, dann als Symbol dafür, dass sie, obwohl sie ihren eigenen Charakter haben und auch recht eigensinnig sind, ja nicht ihr eigenes Leben leben. Im Dienst ihrer jeweiligen Herren bleiben sie „gesichtslos“. Das allerdings erachten sie gar nicht als schlimm. So ist Brighella seinem Herrn aus vollem Herzen verpflichtet und er setzt alle seine Fähigkeiten dafür ein, Florindo zum ersehnten Glück zu verhelfen.

Arlecchino, der Diener des Lügners Lelio, ist seinem Herrn ebenso treu ergeben. Und mimt er gerne den drolligen Witzbold, der von ihm erwartet wird, und versucht er sich auch selbst im Lügenspiel, so zieht er doch ernsthaft seine Lehre daraus. Zudem lässt Arlecchino kaum eine Gelegenheit aus, Lelio dessen Schlechtigkeit und falsches Spiel vorzuhalten und die Konsequenzen daraus zu bedenken – leider erfolglos, wie wir erleben müssen.
Bei den zu verheiratenden Töchtern des Dottore ist der schöne Schein ihre Maskierung. Sie tun nur so, als ob. Kaum sind sie alleine, lassen sie die Masken fallen und aus den engelsgleichen, liebreizenden, zum Verwechseln ähnlichen Schwestern werden zwei eifersüchtige Furien, die einander das vermeintliche Glück nicht gönnen.
Lelio schließlich, der „Vater der geistreichen Erfindungen“, schlüpft von einer Maske in die nächste. Sein fliegender Wechsel ist ihm wohl selbst kaum mehr bewusst. Ihm ist das falsche Sein schon so sehr in Fleisch und Blut übergegangen, dass er ohne es nicht mehr leben kann. Bei jedem neuen Namen, den er in diesem Stück annimmt, halten wir ihm eine andere Maske vor.
Lelio findet sich erstaunlich gut zu Recht in seinem Lügengespinst – lediglich der Nachname des Vaters seiner erfundenen Braut mag ihm im rechten Moment nicht einfallen. Ansonsten jongliert er meisterhaft mit Namen, Daten und Orten und ist bei keiner peinlichen Nachfrage um eine Antwort verlegen. Naja, und notfalls legt er halt schnell eine Maske ab – es sind ja noch genügend dahinter.


Und das schreibt die Lokalpresse.